Donnerstag, 24. März 2016

Mir geht es eigentlich gut!

In einem sind wir Schweizer und Schweizerinnen nicht nur ein bisschen oder relativ, sondern absolut unglaublich unübertrefflich gut: Im Relativieren: Mir geht es eigentlich gut. Das Projekt ist recht gut verlaufen. Die Tagung ist relativ gut über die Bühne gegangen. Wir sind grundsätzlich einverstanden mit dem Entscheid. Ich bin ein bisschen stolz auf die Ergebnisse.
Warum denn aber nicht: Mir geht es gut? Warum kann das Projekt oder die Tagung nicht ganz klar gelobt werden? Warum nicht ein Entscheid einfach nur gutgeheissen werden? Und warum darf man nicht einfach voller Stolz und Freude sein?
Warum brauchen wir diese Relativierungen?
Sie erlauben uns einen Spielraum. Wir sind dadurch frei in alle Richtungen und haben uns nicht ganz 100% festgelegt. Diese "auf-alle-Seiten-immer-offenbleiben-Strategie" bricht uns aber unsere Ecken und Kanten. Und die sind es doch gerade, die uns auch aus- und einzigartig machen!
Meine Devise ist deshalb eine andere. Ich bin zwar weder ein Fan von Johann Kaspar Lavater (Zeitgenosse von Goethe, Zürcherischer Pfarrer, Schriftsteller und Philosoph), doch einem seiner Zitate stimme ich voll und ganz zu:
"Fang beim Anfang an und ende nicht, bis du am Ziel bist!" 


Wenn ich also heute antworten müsste: "Mir geht es eigentlich gut!" so müsste ich mir gleichzeitig eingestehen, noch auf dem Weg zu sein. Das Ziel ist ja klar und dafür bin ich und einzig und allein ich zuständig und verantwortlich. Und wenn mich äussere Widrigkeiten dermassen beeinflussen, dass sie sich relativierend auf meine Befindlichkeit auswirken, so muss ich entweder sie verändern oder sie eben akzeptieren wie sie sind. Ganz einfach!
Und auf die anderen Beispiele gemünzt heisst das: Ich bin mit einem Entscheid einverstanden oder nicht. Wenn ich noch Zweifel hege, sind die zu klären und meine Vorbehalte anzubringen. Das hat mit Ehrlichkeit und Transparenz und letztendlich aber auch mit Mut und Klarheit zu tun! Das Projekt ist gut verlaufen oder eben noch nicht fertig oder halt eben gescheitert oder nicht zu meiner Zufriedenheit umgesetzt worden. Recht gut ist eine unkorrekte Aussage. Die Tagung ist bis auf ein paar vernachlässigbare Details sehr gut über die Bühne gegangen oder hat ein gutes Echo ausgelöst. Relativ gut ist unfair und hinterlässt bei niemandem ein gutes Gefühl. Aber eben à propos Gefühle: Wir Schweizer/innen dürfen nicht stolz sein. Stolz auf eine Leistung, das gehört sich nicht. Warum denn aber nicht? Stolz hat nichts mit Selbstbeweihräucherung zu tun. Stolz ist eine Form der Freude, der Selbstachtung. Emanzipieren wir das Wort und emanzipieren wir uns doch selbst, indem wir zu Klarheit stehen und Relativierungen beiseite lassen!

Genussreiche und frohe Ostertage!

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